Die Ressourcen (m)eines Lebens oder: was eine Tasse Kamillentee im Leben bedeuten kann
„Es war in der Küche, noch mit Holzofen (auch Elektro, aber einer war noch mit Holz, auch wenn er nicht mehr benutzt wurde), und auch mit einer Badewanne. Die war zugedeckt. So war das damals in den einfachen Verhältnissen. Und es war sooo gemütlich! Ich habe als kleiner Junge auf einem Schemel gesessen, meine Oma auf ihrem Stuhl. Kamillentee gab es. So lecker, dass ich es bis heute nicht schaffe ihn so hinzubekommen. Und mir war das bestimmt 30 Jahre nicht bewusst,“ so beschrieb es ein Klient von mir, als wir auf Spurensuche gingen, um seine Ressourcen des Lebens zu finden.
Es war ihm aus der Erinnerung verschwunden, welche Wärme und vor allem Liebe in dieser Begegnung lag, die er als Kind mit seiner Großmutter erlebt hatte. Er wird zukünftig noch oft daran denken und in schwierigen Situationen daraus Kraft ziehen, denn wir haben diese Situation im Körper nachgespürt.
Die Ressourcen, die wir alle in uns oder im Außen haben sind eine der wichtigsten Kraftquellen für schwierige Zeiten. Aber erst, wenn man sie bewusst herauslockt, erinnert und vor allem körperlich spürt, sind sie für schwierige Situationen der Gegenpol, um ins Gleichgewicht zurückzufinden. Vor allem in der Traumatherapie kann erst mit der bewussten Suche nach den eigenen Ressourcen die Bewältigung von Traumata beginnen. Wir brauchen den Gegensatz zum Unaushaltbaren.
Und am besten ist es, wenn wir dies körperlich vertiefen. So hat mein Klient noch deutlich in der Herzgegend spüren können, wo er das gute Gefühl im Körper hat, wie es sich anfühlt und vor allem, dass es sich im ganzen Körper entfalten kann.
Was ist eine Ressource?
Ressourcen sind Quellen der Kraft. Hier liegt das besondere drin, denn viele Menschen – vor allem, wenn sie sich in einem aktiven Flucht- oder Kampfmodus befinden – sind sich dieser Kräfte nicht bewusst. Man ist sozusagen blind in diesen Momenten und findet nichts, was einem Halt geben könnte, weil man sich in einer Art Loch befindet, wo es erstmal keinen Ausweg bzw. keine Sicherheit und Orientierung gibt.
Aber nicht nur in sehr herausfordernden Lebenssituationen sind sie wichtig, auch wenn wir berufliche oder persönliche Herausforderungen meistern möchten und uns auf ein Ziel konzentrieren. Dann ist es gut, etwas im „Rücken“ zu haben und bewusst zu spüren, welches Körpergefühl bei den Ressourcen anspringt. Dann können Ressourcen helfen – wenn man sie kennt.
Welche Ressourcen gibt es?
Ressourcen können im Außen sein, wie z.B. Beziehungen zu Familie, Freunden, Partner und natürlich auch Haustiere oder ganz wichtig: die Natur. Es können schöne Erinnerungen sein, wie sie beispielsweise mein Klient so wunderbar beschrieb. Auch Fähigkeiten und Talente oder wo man etwas besonders gut hinbekommen hat.
Andere Menschen, die einen positiv beeindrucken, können eine Ressource sein. Oder Hobbies, wie eine Sportart, das geliebte Buch, ein Musikstück, was einen erdet oder die künstlerische Fähigkeit, die man inne hat. Auch Eigenschaften, die man bei sich selbst oder die von anderen wertgeschätzt werden. Es gibt so vieles – bei jedem ist es anders.
Neben diesen eher äußeren sind die inneren Ressourcen nicht weniger wichtig. Der Atem, der einen trägt und natürlich der ganze Körper. Es gibt immer, auch bei schwer traumatisierten Menschen, einen Bereich im Körper, wo es ruhiger, entspannter und kraftvoller ist. Nicht zu vergessen, unsere Füße, die uns tragen und die uns im wahrsten Sinne des Wortes erden. All dies gilt es, sich in Erinnerung zurückzuholen – bewusst zu spüren.
Außerdem haben wir dank unserer Persönlichkeit und der inneren Entwicklung einige positive Kräfte zur Verfügung. Zum Beispiel die Beziehungsfähigkeit, Humor, Naturverbundenheit, Ruhe, Fachwissen, Empathie, Spiritualität und Glaube sowie unsere Werte und Normen.
Auch eine Geste, die einem gut in Erinnerung geblieben ist, kann helfen, im Jetzt zu bleiben, wenn der Sog einen in einen unguten Zustand reißen möchte.
Ein Klient, den ich über längere Zeit begleitete, bewegte z.B. einige Male, wenn er aufgeregt über etwas berichtete seine Hand in den Nacken und strich sich unbewusst kurz in der Nackenbeuge. Als ich ihn darauf aufmerksam machte, erinnerte er sich mit Rührung an seinen Vater. Dieser hatte ihm in Zeiten des Trostes seine warme Hand in den Nacken gelegt. Mein Klient hatte diese Berührung dann selbst übernommen – sie gibt ihm auch heute noch Kraft, so wie ein warmer Regen. In meiner Beratung vertiefe ich diese Momente, um deren positive Wirkung zu verstärken. Damit sie bleiben…
Welche Fragen helfen weiter?
Die eigene Spurensuche zu den Ressourcen kann man durch folgende Fragen beginnen:
- An wen kann ich mich wenden, wenn ich Hilfe brauche?
Wer hat mir schon geholfen?
Oder mit wem fühle ich mich verbunden?
All dies sind Ressourcen der Unterstützenden Beziehungen. - Wo habe ich ein Ziel gut erreicht – auch wenn es schwierig war?
Wo gab es positive Erfahrungen in meinem Leben, an die ich mich mit einem guten Gefühl erinnere?
Dies sind Ressourcen der Kraftvollen Erinnerungen. - Was läuft gerade aktuell wirklich gut, oder was kann ich wirklich gut?
Was ist meine Stärke?
Auch in der Gegenwart liegen Ressourcen. - Wo im Körper spüre ich Ruhe? Was fühlt sich kraftvoll an?
Wo gibt es Zonen der Entspannung oder auch Lebendigkeit?
Dies sind die inneren Ressourcen, um sich zu erden.
Für den Anfang sind dies wichtige Fragen und ganz wichtig: was fühlt man dabei – im Körper?
Interessant sind besonders unbewusste Gesten und Körperhaltungen, die eher durch ein Gegenüber gespiegelt werden, wie ich sie bei beiden Klienten durch Nachfragen und Rückspiegelung ins Bewusstsein zurückgeholt habe.
Wie fängt man nun an?
Den meisten Menschen sind die eigenen Ressourcen – und vor allem die Fülle derer – gar nicht bewusst. Warum nicht eine Spurensuche starten, wo sie verborgen liegen? Es ist gut zu wissen, was einem Kraft gibt. Jetzt! Nicht erst dann, wenn man sie als Gegenpol braucht. Dann liegen vielleicht die Nerven blank, die Phantasie und vor allem der Zugang zu sich selbst, ist dann eher erschwert. Also, zeitig damit beginnen und neugierig sein, was sich offenbart. In meinem letzten Workshop haben die Teilnehmer und Teilnehmerinnen diese in einem Bild dargestellt. Das hatte dann eine besondere Kraft, die trägt – für Zeiten der Herausforderung.
Und vielleicht gibt es ja auch noch Ressourcen, die man entwickeln möchte, die noch fehlen, um sich aktiver und verbundener mit dem Leben zu fühlen. Der Erweiterung von positiven Erfahrungen sind nie Grenzen gesetzt.
Ganz, wie Albert Einstein, der über sich selbst sagte: „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“ Eine wunderbare Ressource – die Neugierde…