
Die vielen Gesichter der Depression
Symptome erkennen und verstehen
„Bin ich einfach nur erschöpft – oder steckt mehr dahinter?“
Diese Frage stellen sich viele Menschen, wenn sie merken, dass etwas nicht stimmt. Denn Depressionen zeigen sich nicht immer so, wie wir es erwarten würden. Manchmal wirken sie leise, versteckt hinter körperlichen Beschwerden oder hinter einer scheinbar „funktionierenden“ Fassade.
Die Deutsche Depressionshilfe weist darauf hin, dass jedes Jahr Millionen Menschen in Deutschland an einer behandlungsbedürftigen Depression erkranken – viele ohne je die passende Unterstützung zu bekommen.
Da es viele Unterschiede – auch bei den Symptomen – gibt, sind folgende Fragen hilfreich:
- Wie erkenne ich eine Depression?
- Welche Formen von Depressionen gibt es überhaupt?
- Was kann ich tun?
Oft herrscht die Vorstellung, Depression zeige sich immer durch tiefe Traurigkeit und Antriebslosigkeit. In meiner Praxis erlebe ich jedoch, dass Depression viele Gesichter haben kann – und dass es eine enorme Erleichterung sein kann, die eigene Form zu verstehen.
Wenn Klarheit entlastet
Es kann z.B. erleichternd sein, wenn die eigene Form der Stimmungsschwankungen endlich einen Namen bekommt: Zyklothymia, eine besondere Form der Depression.
Hier wechseln sich Phasen leichter Niedergeschlagenheit mit Phasen leichter Hochstimmung ab. Für Klientinnen und Klienten ist es ein befreiendes Gefühl zu erkennen, dass diese Schwankungen normal und erklärbar sind.
Durch meine Unterstützung wird es greifbarer, wie diese Stimmungsschwankungen wechseln – es können eigene Worte dafür gefunden werden. Und noch wichtiger, es wird klarer, wenn sich der Umschwung wieder ankündigt, weil erste körperliche Signale besser wahrgenommen werden. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig Wissen über die verschiedenen Formen von Depressionen ist.
Formen von Depressionen
Es gibt nicht „die eine“ Depression. Wichtigste Unterscheidung ist vor allem, liegt eine organische Form der Depression vor, d.h. sind Hirnverletzungen oder Stoffwechselstörungen (z.B. Schilddrüse, Wechseljahre) Grund für die Erkrankung?
Dies gilt es vorab zu klären, ob Therapie hier überhaupt der erste richtige Ansatz ist oder andere medizinische Maßnahmen erstmal notwendig sind. Als Heilpraktikerin für Psychotherapie muss ich darauf immer hinweisen.
Die zweite Einteilung von Depressionen findet sich in der ICD-10, dem internationalen Klassifikationssystem für Krankheiten. Dort gehören sie zu den sogenannten affektiven Störungen (F30–F39). Genauer unterscheidet man zwischen einer einzelnen depressiven Episode (F32) und einer wiederkehrenden depressiven Störung (F33).“
Zu den bekanntesten und häufigsten zählen:
- Major Depression (klassische Depression): Tiefe Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen, körperliche Beschwerden. Es gibt eine Reihe von Symptomen – vier davon müssen vorliegen, um diese Form der Depression zu diagnostizieren.
- Dysthymie: Eine leichtere, aber chronische depressive Stimmung, die oft über Jahre anhält.
- Zyklothymia: Leichte Stimmungsschwankungen zwischen Hochs und Tiefs.
- Saisonale Depression (Winterdepression): Stimmungseinbrüche, die vor allem in den lichtärmeren Monaten auftreten.
- Traumabedingte Depression: Entwickelt sich nach belastenden oder überwältigenden Erlebnissen, oft verbunden mit innerer Leere und Erschöpfung. Kann auch Teil einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sein.
- Wochenbettdepression: Entsteht nach der Geburt, häufig ausgelöst durch hormonelle Schwankungen und Stress. War sehr lange als Krankheit nicht erkannt und kann sowohl für Mutter und Kind gefährlich sein, wenn hier eine Psychose dazu kommt.
- Altersdepression: Entwickelt sich bei älteren Menschen in Zuge kognitiver Einschränkungen oder sozialer Isolation.
- Erschöpfungsdepression: Form der Stressdepression, die bei zu hohem Stresslevel entsteht und sich durch Erschöpfung äußert und zum Burn-out führen kann.
Und auch ganz häufig:
- Versteckte Depression: bekannt als maskierte Depression. Das sind Depressionen, die sich über körperliche Beschwerden (z.B. häufige Kopf- oder Rückschmerzen) ausdrücken. Die somatischen Symptome haben keinen organischen Ursprung, zeigen sich aber im Wechselspiel aus Psyche und Körper.
Warum diese Unterscheidung wichtig ist
Zu wissen, welche Form der Depression vorliegt, kann ein entscheidender Schritt zur Heilung sein. Denn nur so lässt sich die passende Unterstützung finden – und Betroffene können ihre Symptome besser einordnen und frühzeitig etwas unternehmen.
Ursachen und Entstehung von Depressionen
Die Ursachen für Depression sind vielfältig:
Biologische Faktoren: genetische Veranlagung, Stoffwechselveränderungen im Gehirn durch vielerlei Krankheiten.
Psychische Belastungen: anhaltender, chronischer Stress, ungelöste Konflikte, Trauer, traumatische Erlebnisse, einschneidende Lebensveränderungen.
Hier ist es gut, sich zu vergegenwärtigen: seit wann ist der Stimmungswechsel aufgetreten – gab es z.B. einen Auslöser?Gesellschaftliche Einflüsse: Leistungsdruck, Isolation oder familiäre Belastungen. Aber auch eigene Überlebensstrategien, in denen man gefangen ist.
Gerade traumabedingte Depressionen entstehen, wenn das Nervensystem dauerhaft in einer Art „Alarmzustand“ gefangen bleibt.
Somatic Experiencing bei Depression
Ein wichtiger Ansatz in meiner Arbeit ist Somatic Experiencing ® (SE). Diese Methode unterstützt Betroffene dabei, gespeicherte Anspannung und traumatische Energie im Körper sanft zu lösen. Durch achtsames Spüren und kleine Schritte kann das Nervensystem lernen, sich zu regulieren.
Viele Klientinnen und Klienten berichten dadurch über mehr innere Ruhe, Lebendigkeit und Stabilität. Eine gute Möglichkeit, Depressionen zu lindern oder sogar aufzulösen – vor allem, wenn es die Folge eines Traumas ist.
Was Betroffene wissen sollten
Depression ist vielgestaltig – und jeder erlebt sie anders.
Die richtige Diagnose kann entlasten und neue Perspektiven für Heilung öffnen.
Hilfe anzunehmen ist Stärke, nicht Schwäche.
Körper und Psyche gehören zusammen – beides sollte Beachtung finden.
Erste Schritte bei Depression
Wenn Du vermutest, dass Du an einer Depression zu leidest, helfen folgende Schritte:
Ärztliche Abklärung (z. B. Blutwerte, Schilddrüse) – vielleicht liegt ja ein organisches Problem vor.
Gespräch mit einer Fachperson – je früher, desto besser, damit sich die Depression nicht chronifiziert. Gab es ein herausforderndes Ereignis z.B. Trauer, dass zu diesem Stimmungswechsel geführt hat?
Unterstützung suchen: Therapie, Beratung oder Selbsthilfegruppen. Auch gute Bücher können für die erste eigene Klärung sinnvoll sein. Hier auch ein hilfreicher Link zur Stiftung Deutsche Depressionshilfe mit vielerlei Angeboten.
Auf den Körper achten: Bewegung, so wie es Freude bereitet – gesunde Ernährung, Schlaf. Gute Selbstfürsorge ist hier besonders angebracht.
Kontakt und Berührung: Der Vagusnerv wird positiv aktiviert und kann stabilisierend wirken, auch wenn Depressionen als Symptom oft den sozialen Rückzug mit sich ziehen.
Und ganz wichtig: Bei akuten Suizidgedanken wende Dich bitte sofort an den Notruf 112, die Telefonseelsorge (116 123) oder 0800 / 33 44 533 (Stiftung Deutsche Depressionshilfe)
Fazit
Depressionen haben viele Gesichter. Wer ihre verschiedenen Formen kennt, kann die eigenen Symptome besser verstehen und einordnen – und so leichter die passende Unterstützung finden.
Methoden wie Somatic Experiencing können dabei helfen, das innere Gleichgewicht wiederherzustellen und die eigene Lebendigkeit zurückzugewinnen – ein wesentlicher Schritt auf dem Weg der Heilung.
Dabei lohnt es sich zu fragen: Wo zeigen sich typische Denkmuster, negative Gefühle oder passives Verhalten – und wie können diese durch aktivere und positivere Haltungen ersetzt werden?
Ein schönes Beispiel gibt uns Hermann Hesse, der selbst in jungen Jahren unter Depressionen litt. Seine Freude am Schreiben half ihm, wieder Lebendigkeit zu spüren und sich aus seiner Erstarrung zu befreien. Er fasste es in folgende Worte:
„Die Verzweiflung schickt uns Gott nicht, um uns zu töten, er schickt sie uns, um neues Leben in uns zu erwecken.“
— Hermann Hesse
