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Der Lauf des Lebens: Gedanken zu meiner Hospizausbildung

„ Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben. “. ― Cicely Saunders. Pionierin der Palliativmedizin und Gründerin der modernen Hospizbewegung. (1918-2005)

Ich habe mich die letzten acht Monate auf eine Reise begeben, eine besondere, denn ich wollte mehr wissen über den Tod bzw. das Sterben. Was ich gefunden habe, sind viele neue Eindrücke über das Leben und über seinen Sinn. In der Qualifizierung zur ehrenamtlichen Hospizbegleitung wird auch auf das Lebensende geblickt, selbstverständlich. Aber es geht eher darum, das Leben oder vor allem das verbleibende Leben genau zu betrachten.

Viele Menschen, denen ich von meiner Hospizausbildung erzählt habe, waren erstaunt, dass ich mich damit jetzt beschäftige. Waren spontan der Meinung, dass sie das nicht könnten. „Das muss doch sehr anstrengend sein und kostet sicher viel Kraft. Oder: ich könnte das nicht!“ so lautete die häufige Resonanz auf mein Ansinnen, diese Qualifikation zu machen.

Was ist der Sinn des Lebens?

Sterben werden wir alle, auch wenn viele dieses Thema möglichst ganz weit weg drücken möchten. In ihrem Herzen, dem Verstand und dem Bewusstsein sowieso. Da ich eher dazu neige, mir die Dinge anzuschauen – als Begleiterin für Menschen in herausfordernden Lebenssituationen ist das auch notwendig – war es für mich irgendwann selbstverständlich, dass ich mir den Tod oder auch das Sterben näher betrachte.

Was ich erfahren habe, lässt sich in fünf Kernpunkte festhalten:

  1. Ich muss mich selbst in den Blick nehmen, d.h. welche Einstellung habe ich selbst zum Tod, dem Sterben und ganz wichtig: dem Leben.
    Was muss noch gelebt werden? Auf was kann ich aber auch verzichten?
  2. Was braucht es für eine Begegnung, ein Gespräch, damit es eine wertvolle Erfahrung ist?
    In der Begegnung mit schwerstkranken Menschen wird man irgendwie demütig. D.h. die Essenz eines Lebens wurde mir deutlicher und dann wäge ich auch ab, was und wie ich kommuniziere.
  3. Weniger ist mehr.
    In der Phase des Sterbens sind viele Dinge, die (früher) wichtig waren, nicht mehr relevant. Warum sich nicht grundsätzlich damit auseinandersetzen, was ist wesentlich?
  4. Die Lebenswelt von Sterbenden betrachten.
    Was heißt es, sich nicht mehr selbst versorgen zu können, hilfloser zu sein und auf Hilfe angewiesen zu sein? Welche eigenen Gefühle werden dabei berührt?
  5. Erinnern an das, was in einem Leben wichtig war und ist.
    Ein Lebensrückblick gehört auf jeden Fall dazu. Ein volles Leben zurücklassen, damit man Versöhnung und Frieden finden kann – auch mit den Dingen, die schwer waren.

Die Aufzählung ließe sich noch fortsetzen und sind vielleicht für jeden anders, aber für mich sind es wichtige Punkte für mein Leben im Jetzt.

Begegnungen, die berühren

Ich bin in dieser Fortbildung vielen Menschen begegnet, die uns als Referentinnen und Referenten zur Seite standen und uns an ihrer Erlebniswelt teilhaben ließen. Menschen, die tagtäglich die Botschaft von schwerer Krankheit überbringen müssen. Wie z.B. der Palliativmediziner und Onkologe (Dr. med. Bernd-Oliver Maier), der mit einer Klarheit Informationen und Wahrheit überbringen muss, die mich tief beeindruckt haben. In jedem Managementtraining sollte solch ein Impuls gehalten werden, damit das Thema Klarheit fühlbar wird, weil es in jedem Kontakt wichtig ist.

Oder die Gestalttherapeutin und Psychoonkologin, die Unterstützung für Kinder und Jugendliche mit einem schwerstkranken Elternteil anbietet. Mit welcher Feinfühligkeit und tiefer Zuneigung sie ihre Aufgabe erfüllt, war deutlich spürbar.

Dazu kamen Besuche in einem Bestattungsunternehmen oder die genaue Auseinandersetzung mit Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen. Alles auch Themen, die dazu gehören, wenn man sich mit dem Sterben befasst. Natürlich auch das Trauern und welche Auswirkungen es haben kann. Nicht zu vergessen die Spiritualität, die eine für mich wichtige Komponente ist, im Angesicht des Todes. Sie hilft, um einen ganz anderen Blick auf das Sterben zu bekommen.

Trotzdem Ja zum Leben

Zurückhaltung im Angesicht des Todes - die weiße Rose (Luis Quintero)

Den Abschluss bildete ein Wochenende mit einer Psychotherapeutin (Carmen Kloft), die uns das Lebenswerk von Viktor Frankl näher brachte. Mit seinem „Trotzdem Ja zum Leben“ ist er als Begründer der Logotherapie bekannt geworden. Als Überlebender mehrerer Konzentrationslager hat er sich intensiv mit der Frage nach dem Sinn des Lebens auseinandergesetzt. Gemeinsam sind wir als Gruppe nochmal in eine intensive Suche und Reflexion zum eigenen Leben eingestiegen. Das Wochenende hat mich sehr erfüllt im tiefen Inneren.

Nicht zu vergessen sind natürlich die Weggefährten, die die Reise mit mir gemeinsam gemacht haben. Menschen zwischen knapp 30 und bis über 70. Eine gute Bandbreite von Lebenserfahrungen, die wir immer wieder auch ausgetauscht haben in tiefem Vertrauen und viel Respekt miteinander. Wir haben gelacht, sinniert und geweint – gemeinsam. Geleitet wurde diese Qualifizierung von Begleitern des Auxiliums in Wiesbaden, die mit viel Hingabe und Achtsamkeit Menschen für diese Aufgabe qualifizieren. Diese gemeinsame Erfahrung hat die Qualifizierung noch mal mehr abgerundet.

Letztlich habe ich mich in diesen acht Monaten, die auch anstrengend waren, tiefer mit dem Leben verbunden, weniger mit dem Tod. Auch wenn das Ende des Lebens immer im Raum stand ging es letztlich, so wie die Begründerin Cisley Saunders es zusammengefasst hat, um das Leben im Jetzt. Dazu gehörte auch eine intensivere Auseinandersetzung mit meinen eigenen Lebensinhalten. Das habe ich am Anfang nicht erwartet. Heute stehe ich anders da und bin froh für diese Lebensreise!

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