Körper und Seele

Bin ich hier sicher?

Sicherheit und Verbundenheit steuern unser Wohlbefinden

Unbewusst fragen wir uns ständig in jeder Situation: bin ich hier sicher? Warum das so ist, und warum wir Menschen dies als lebensnotwendiges Verhalten ständig einsetzen, beschreibe ich in diesem Artikel. Außerdem gibt es Hilfestellungen, um Momente der Sicherheit bewusster wahrzunehmen und damit grundsätzlich ein Gefühl zu entwickeln, mehr Sicherheit im Leben zu gewinnen. Die Lösung liegt im besseren Verstehen unseres Nervensystems!

Kontakt und Verbindung von Anfang an

Wir wünschen uns von Anfang an Verbundenheit und schaffen uns damit innere Sicherheit. Deb Dana, Therapeutin und Buchautorin zur Polyvagal-Theorie, fasst das folgendermaßen zusammen: „Wir kommen mit der Anlage auf die Welt, zu anderen Menschen in Verbindung zu treten. Von unserem ersten Atemzug an streben wir unser ganzen Leben lang danach, um uns in unserem Körper, der Umgebung in der wir uns aufhalten und in unseren Beziehungen zu anderen Menschen sicher zu fühlen.

Das lernen wir durch Kontakt und Verbindung von Außen – wir werden z.B. durch unsere Mutter dabei unterstützt unsere Emotionen zu steuern und entwickeln so Resilienz. Sukzessive lernt das eigene Nervensystem (unser Entscheidungs- und Kommunikationssystem zur Steuerung der Organe und der Kontakte) – schrittweise Emotionen mit Anderen zu steuern oder besser noch zu regulieren. Im Idealfall haben wir dann ein flexibles Nervensystem und können im Alltag sicher reagieren. Eindrücke von Außen führen nicht dazu, dass wir dauernd in Panik, Angst oder Unsicherheit geraten. Das ist der Idealfall!

Stress oder Sicherheit?

Nun kann es leider so sein, dass Bezugspersonen selbst so viele Probleme hatten, wie Depressionen, Süchte, andere psychische Erkrankungen oder schlicht weg, gar nicht da waren. Das bedeutet, das eigene Nervensystem hat nicht gelernt, mit den vielen Außenreizen gut umzugehen. Bereits bei kleinen Aufregungen wird das Nervensystem – wie z.B. eine pampige Bemerkung einer Kollegin – unsicher. Man fühlt sich hilflos ausgeliefert und ist im Stress.

Oder es passiert ein überwältigendes Erlebnis, so dass das Nervensystem im Stress stecken geblieben ist. Die eigene Sicherheit ist dann verschwunden oder war vorher schon nicht da. Wenn das Nervensystem jedoch keine Sicherheit spürt, zeigt sich das durch viele körperlichen Auswirkungen: Herzerkrankungen, Bluthochdruck, hoher Cholesterolspiegel, Verspannungen oder generell eine hohe Anfälligkeit für Krankheiten.
Ohne Sicherheit ist der Mensch in einem permanenten Stresszustand!

Das Gute ist: Das Nervensystem wird zwar durch frühe Erlebnisse geprägt, aber es ist jederzeit in der Lage, neue Erfahrungen zu machen. Regulation kann  – z.B. mit einem sicheren Gegenüber- neu gelernt werden. In der Resonanz und Verbundenheit mit einer anderen Person kann das Nervensystem lernen, sich immer besser zu regulieren und mit Stress von Außen besser umzugehen.

Was hat mich hierher gebracht?

Obwohl wir in einer Kultur leben, die Autonomie und Unabhängigkeit fördert, müssen wir stets daran denken, dass wir aus neurobiologischer Sicht dazu prädestiniert sind, in Verbindung zu leben.“, so fasst es Deb Dana zusammen.

Nun sind nicht alle Kontakte, die ich tagtäglich erlebe, nährend und hilfreich. Es geht jedoch um ein wachsendes Bewusstsein oder eine Achtsamkeit, um unterscheiden zu lernen, wie man sich gerade in seiner Haut fühlt. Das bedeutet, ich beschäftige mich bewusst damit, wie meine Gedanken, Gefühle, Körperreaktionen und Verhaltensweisen meinen gesamten Zustand beeinflussen. Das erfordert etwas Übung oder Begleitung von Außen, um folgende Fragen zu beantworten?

  1. Was geschieht dabei in meinem Körper?
  2. Was fühlen ich?
  3. Was denke und sage ich?

Sicherheit oder Gefahr?

Wie sicher man sich fühlt, hat Deb Dana mit dem Bild einer Leiter beschrieben. Zustände von Sicherheit und Geborgenheit sind am oberen Ende der Leiter positioniert. Wenn Sie z.B.in guter Verbindung mit Menschen sind oder aber auch eine liebevolle Verbindung mit einem Tier haben, dann sprechen wir von Sicherheit. Körperlich zeigt sich das, indem das Herz regelmäßig schlägt, die Atmung ist tief und voll und wir nehmen unsere Umgebung offen und konzentriert auf.

Alle Signale von Sicherheit sind mit guten Erfahrungen verbunden und können uns helfen, das Nervensystem zu beruhigen.  Diese Erlebnisse bewusster wahrzunehmen und auszubauen ist ein wichtiger Weg, um mehr Sicherheit im Leben zu bekommen. Dann kann das Nervensystem „umgebaut“ werden.

Photo von Ellie Burgin –                Bin ich hier sicher – also oben auf der Leiter?

Folgt von Außen eine Botschaft, die wir mit Unbehagen verbinden, dann gleiten wir in die Mitte der Leiter, die quasi die Schaltzentrale für alle Gefahren ist. Das Herz schlägt schneller, die Atmung wird unregelmäßiger. Blitzschnell  wird unbewusst überprüft: bin ich hier (noch) sicher? Dann folgt je nach Einschätzung der Lage entweder eine Reaktion nach oben der Leiter oder zum unteren Ende der Leiter.

Am unteren Ende der Leiter sind die Erfahrungen verortet, die wir mit Unsicherheit oder sogar mit Gefahr verbinden. Hier sind wir nicht mehr in einer guten Verbindung zu anderen Menschen. Vielleicht kennen Sie das, als wäre zwischen Ihnen und den anderen Menschen eine Art Plexiglaswand aufgestellt?

Ausgelöst wird dieser Zustand durch bestimmte Reize im Außen, die uns in diesen Zustand rutschen lassen. Dies zu erforschen ist Teil der Reise, denn das ist bei jedem Menschen anders. Vielleicht geschieht dies, wenn Sie mit Kollegen/innen zusammen sind und Sie plötzlich das Gefühl haben, nicht dazuzugehören?

Die Leiter erkunden

Die Bewegungen auf der Leiter von oben nach unten oder von unten nach oben sind normal. Wir können uns – auch wenn wir wollen – nicht immer am oberen Teil der Leiter befinden, müssen aber auch nicht unten verharren. Dies aufzulösen und im ersten Schritt erstmal bewusst wahrzunehmen, kann durch zwei gezielte Fragen erreicht werden:

  • Am unteren Ende der Leiter: Was bringt mich von hier weg?
  • Am oberen Ende der Leiter: Was hilft mir hier zu bleiben?

Was hilft mir weiter?

Stephen Porges, Neurowissenschaftler und Begründer der Polyvagal-Theorie beschreibt es sehr treffend: „Wir sind stärker damit befasst, mit denjenigen, die uns bedrohen oder verletzen zurechtzukommen, als damit, was unser Nervensystem braucht, um sich sicher zu fühlen„. Durch eine bewusste Auseinandersetzung damit, was mich vom oberen zum unteren Ende der Leiter bringt, kann der erste Schritt erreicht werden.

Zusammen mit einer/m Therapeutin/en kann man damit experimentieren, die eigene Leiter besser kennenzulernen und seine eigene Regulation zu üben. Eine aktive Auseinandersetzung hilft, sich im Leben wieder sicherer zu fühlen. Auch die Dinge wertzuschätzen und zu erkennen, um vom unteren Teil der Leiter nach oben zu steigen. Mit der Zeit wird dies immer leichter. Das Gefühl von „Hier bin ich sicher!“ steigt zunehmend, weil man immer bewusster mit äußeren Einflüssen umgehen lernt, sie besser regulieren kann und damit zu einem Zustand von Sicherheit im Leben zurückkehrt oder ihn erstmalig erfährt.

„Wir sind erst sicher, wenn wir sicher sind, dass wir nicht allein sicher sind.“ Emile Durkheim (1858-1917)

Einen guten Überblick geben diese Videos:

Das Erleben von Sicherheit – YouTube

Trauma und Sicherheit – die Polyvagal-Theorie – YouTube

 

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